Rote Nüsse für Guldental
Ein Sortenerhaltungsprojekt mit touristischen Hintergedanken
Am Anfang
Unsere BUND-Ortsgruppe aus dem naheländischen Weindorf Guldental wollte eigentlich zunächst nur übliche Naturschutzarbeit betreiben:
einen hübschen Orchideenrasen erhalten, Exkursionen und Vorträge für die Bevölkerung anbieten und eine Streuobstwiese anlegen. Für diese stand allerdings eine große Fläche zur Verfügung, und mit den Jahren gab es eine ganze Anzahl von weiteren kleineren Flächenangeboten. Inzwischen versorgen wir etwa 7 Hektar Obstwiesen.
So pflanzten wir Jahr um Jahr zuerst häufige Sorten wie Kaiser Wilhelm, Champagner Renette oder Gute Luise, bald kamen wir aber auch an mehrere Baumschulen mit Raritätenangebot, und kurz nach der Gründung des Pomologenvereins wurde ich begeistertes Vereinsmitglied. Damit begann das Interesse an der Sortenbewahrung. Schließlich wurde unsere Sammlung Teil des Erhalternetzwerks. Die Empfehlung von Annette Braun-Lüllemann, der wir viel zu verdanken haben, machte es möglich.
Der Entdecker
Eines Tages fand ich eine Mail unseres rührigsten Mitgliedes Tobias Ebenau im PC: „Hast Du so etwas schon mal gesehen? Wäre das nicht was für uns?“
Er war im Manufactum-Katalog auf die berühmteste rotkernige Walnuss gestoßen: die „Rote Donaunuss“ aus Ybbs, einer hübschen historischen Kleinstadt im österreichischen Mostviertel.
Tobias hatte mich schnell überzeugt, wir fingen an zu recherchieren und wurden auf einige Walnussbaumschulen aufmerksam. Nach einiger Zeit hatten wir 14 verschiedene rotkernige Walnüsse aufgestöbert. Dass es eine eigene Walnuss-Pomologie mit einigen hundert Sorten gibt, war uns damals völlig neu. Aber die Suche nach roten Nüssen ging weiter und Anfang 2017 fand Tobias im Internet eine holländische Baumschule, die weitere 8 bis 10 Sorten als vorbestellbare Einzelveredlungen im Sortiment hat.
Pläne und Hoffnungen für die Sammlung
Da wir noch mehrere Pflanzflächen in Aussicht haben, könnte es in einigen Jahren auf der Guldentaler Gemarkung etwa 25 rote Walnüsse geben. Dazu sollen noch mehrere exotische Walnussverwandte mit wohlschmeckenden Früchten: die japanische Herznuss(Juglans ailanthifolia) und zwei Nordamerikanerinnen: Schwarznuss(Juglans nigra) und Hindsnuss(Juglans hindsii). Letztere ist nach dem Botaniker Richard Hinds benannt, der sie 1837 entdeckte. Beide Nüsse werden als Veredlungsunterlage für Walnusssorten verwendet, wenn es um kleinwüchsigere Bäume geht, wie sie für den gewerbsmäßigen Anbau gewünscht werden. Allerdings werden diese Bäume nicht sehr alt. Wer eine Erhaltungspflanzung anlegt, sollte darauf achten, dass die Sorten auf Juglans regia veredelt sind. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch die allgemein bekannte, seit Langem bei uns eingebürgerte Juglans regia eine Exotin ist: ihre natürliche Verbreitung erstreckt sich über das östliche Mittelmeergebiet, den Balkan und einige Länder in Vorder- und Mittelasien. Dort wächst sie in feuchten Schluchtwäldern der Hochgebirge, im Himalaya noch in bis zu 3300 Metern Höhe.
Ein Lob auf die roten Walnüsse
Kommen wir wieder zu den rotkernigen Walnüssen zurück:
Sie verfügen über zwei wichtige Qualitäten:
- Ansprechend-dekoratives Aussehen mit besonderer Wirkung auf Kinder, Plätzchenbäcker oder Konditoren
- Guter Geschmack
So verwundert es, dass sie so wenig angepflanzt werden, in der Literatur kaum Beachtung finden und leider auch in Baumschulsortimenten nur vereinzelt vorkommen. Erfreulicherweise gibt es seit einigen Jahren mehrere engagierte, auf Walnüsse spezialisierte Baumschulen, die auch rote Nüsse gelistet haben und an einer Erweiterung ihres Sortiments interessiert sind.
Unsere ersten roten Nüsse
Vom Überraschungseffekt einer rotkernigen Nuss konnten wir uns im Herbst 2016 beim Öffnen unserer ersten Früchte überzeugen. Die Sorte „Rote Lienzer“ hatte schon im ersten Standjahr eine einzige krumme, aber sehr große Frucht entwickelt.
Immer wieder hatten wir von Baumschulen verkehrte Obstsorten bekommen, so dass es keineswegs sicher war, ob wir in der Schale einen roten Kern vorfinden würden. Voller Neugier wurde schließlich die Nuss mit einem kräftigen Messer geteilt, und die Begeisterung war groß, als tatsächlich ein gut ausgefärbter roter Kern vor uns lag. Aber nicht nur das Aussehen, auch der Geschmack der Nuss überzeugte uns. Ähnlich ging es mit der kleinfrüchtigeren „Roten Donaunuss“, deren Kernhaut ein wesentlich dunkleres Rot hat.
Wege und Umwege
Sobald man eine andere Nuss besorgen möchte als die „Rote Donaunuss“ oder die „Aufhausener Baden“, wird es schwierig. Man muss im Internet recherchieren, jede Sorte einzeln bestellen, oft als ganz kleines Bäumchen schicken lassen. Die große Mehrzahl muss man zur Zeit noch als Einzelveredlung vorbestellen und oft per Versand von spezialisierten in- und ausländischen Baumschulen beziehen oder sogar mit großem Fahraufwand abholen. Schon dreimal nahmen unsere BUND-Idealisten Gisela Borchardt und Tobias Ebenau weite Wege in die Schweiz und in die Kölner Gegend auf sich, um bestimmte Sorten abzuholen: Gublernüsse, Noix rouge, Red Rief, Hozpozin, Sychrov…
Geradezu abenteuerlich verlief die Suche nach der Sorte „Livermore“(Robert Livermore). Endlich hatte Tobias eine Baumschule in Kalifornien ausfindig gemacht, die uns ein Exemplar schicken wollte, aber bald kam die Meldung, dass der Import verboten sei, weil die Gefahr der Einschleppung von Baumkrankheiten bestünde. Dann plötzlich die Überraschung: Eine niederländische Baumschule führt die Sorte auch. Man bot uns ein großes Container-Exemplar mit doppelter Veredlung zu einem erträglichen Preis an. Außer der Livermore steht auf der Juglans-regia-Unterlage noch die Sorte „Ronde de Montignac“ aus der Dordogne. Die Sorte dient als Bestäubungspartner und erinnert gleichzeitig an einen schönen Urlaub in einem traditionellen Walnuss-Anbaugebiet, wo auf Märkten viele regionale Nussspezialitäten angeboten werden. So haben wir in dieser „Doppelnuss“ das bisher originellste Exemplar eines Obstbaums auf den Wiesen stehen, bei Führungen ein unterhaltsames Kuriosum.
Touristische Ansätze mit Hintergedanken
Bislang reagiert unsere alteingesessene Bevölkerung trotz regelmäßiger Veranstaltungen und viel werbender Pressearbeit wenig auf unsere Sortenerhaltungsarbeit. Wahrscheinlich braucht man dafür einen sehr langen Atem und jede Menge kulinarische Lockvögel. Bis das endlich soweit ist, wollen wir schon einmal versuchen, das reservierte Publikum mit einem touristischen Angebot zu ködern. Die Aussicht auf einen speziellen beschilderten Obstsortenpfad als Abzweig von zwei schon bestehenden größeren Wanderwegen erwies sich in der Wahrnehmung der Ortsgemeinde, des Fremdenverkehrsvereins und der Verbandsgemeinde als so verlockend, dass bereits 2500 Euro an Zuschüssen für unsere Pflanzungen zur Verfügung gestellt wurden, und das ohne viel Antichambrieren und Bürokratie.
Walnüsse wollen wir vorzugsweise auf kleinen ungenutzten, manchmal verwahrlosten Restgrundstücken in Verbindung mit Mandeln pflanzen. Auch bei den Mandeln geht es nicht nur um dekorative Wirkung, sondern um Sorten, 11 verschiedene stehen schon und warten auf die pomologische Prüfung. Die Strecke des Obstpfades steht seit einiger Zeit fest. Sie verbindet eine größere Streuobstwiese mit gemischtem Sortenbestand und eine kleinere Kirschenwiese mit 15 seltenen Sorten, die an einem attraktiven Aussichtspunkt liegt. Als Besonderheit soll das Mundraub-Prinzip gelten: Naschen, Fallobst auflesen und Nüsse sammeln wird ausdrücklich erlaubt sein. Schon jetzt darf man in dem beliebten „Mundraubwingert“ dank der Großzügigkeit des Besitzers Weintrauben probieren; die Pflanzung enthält ca. 170 Rebsorten.
Naturschutz
Die größte unserer Wiesen hat etwa zwei Hektar Fläche und liegt an einem Hang, der immer steiler wird, je mehr man sich nach oben bewegt. Auf dem höchstgelegenen Teil herrschen recht trockene Verhältnisse, der Boden ist flachgründig. Obstbau ist nicht mehr möglich, aber die Entwicklung eines artenreichen Halbtrockenrasens, der aus Naturschutzgründen nur einmal im Spätsommer gemäht wird. Damit es zur Abmagerung des Bodens kommt, müssen wir das Schnittmaterial von der Fläche entfernen. Eine kleine Auswahl besonderer Pflanzen: Bienen-Ragwurz, Purpur-Knabenkraut, Bocks-Riemenzunge, Großer Ehrenpreis, Wundklee, Kartäuser-Nelke, Frühlings-Schlüsselblume, Tauben-Skabiose, Ranken-Platterbse.
Mehrere alte Nussbäume sollen dem Steinkauz zugute kommen. Mehr als bei anderen Obstarten gehen bei der Walnuss die Hauptäste waagerecht ab. An solchen Ästen lassen sich Kauzröhren gut befestigen. Für unsere Gegend sind einzeln in der Weinbergslandschaft stehende Nussbäume charakteristisch. Nicht wenige dieser Solitärbäume sind mit Brutröhren versehen, die vom Kauz auch angenommen werden. Einige unserer rotkernigen Walnüsse haben wir deshalb auf entsprechende Standorte gepflanzt.
Wenn die Nisthilfe in einem Streuobstbaum hängt, muss man darauf achten, dass rechtzeitig gemäht wird, sonst findet der Kauz im hohen Aufwuchs zur Brutzeit keine Beute.
Sortenliste
Bei den Herkunftsangaben fällt die Dominanz östlicher Länder Europas auf.
Rote Donaunuss aus Ybbs(Syn. Geisenheim 1239): Österreich, etwas längliche, mittelgroße Frucht, Kern dunkelrot, bekannteste rote Nuss, in vielen Baumschulen erhältlich, Wuchs mittelstark
Rote Gublernuss 1 : Schweiz, Sämling aus der Roten Donaunuss, robuster als diese und ergiebiger, im Wuchs sehr stark. Gubler 1 war Schweizer Obstsorte des Jahres 2012. Nussbaumschule Heinrich Gubler. Es gibt auch die Gublernüsse 2 bis 4 mit ähnlichen Merkmalen wie Gubler 1.
Aufhausener Baden, Aufhauser, „Badener
Pferdeblutnuss“: alte deutsche Sorte, Frucht sehr groß, ähnlich einer Pferdenuss, Schale stark gefurcht, Kern hellrot, Wuchs mittelstark, früher Austrieb, breite und lockere Krone
Hospozin:
Tschechien, großfrüchtig
Kardinal:
Tschechien
Livermore(Robert Livermore): USA
Noix Rouge:
Frankreich
Red Rief:
Deutschland, großfrüchtig, als besonders wohlschmeckend beschrieben und entsprechend prämiert, Wuchs sehr stark
Rosette:
Schweiz(St. Gallen)
Rote Böhmische Bollernuss: Tschechien, Sämling vorhanden, Veredlung von der Originalsorte bestellt.
Rote Lienzer:
Österreich, sehr große Frucht, ähnlich einer Pferdenuss
Sychrov(Syn. Rote Kirschnuss?): Tschechien, kleinste Frucht unter den roten Nüssen, Wuchs mittelstark. Es gibt auch eine Sychrov 2.
Wisnicz Czerwony: Polen, Frucht sehr groß, ähnlich einer Pferdenuss
Die Pflanzungen erfolgten im Winter 2015/16.
Folgende rote Walnüsse sind bei verschiedenen Baumschulen bestellt:
Hodonin, Rote Poysdorf, Rote Moselaner, 139 R, Violetta Royal.
Für spätere Pflanzungen sind vorgesehen:
Buszaki Pirosbelu, Red Seal, Petra’s Red Medac, Purpurovy, Rubis, Rouge de Bertsch, Juglans regia var. rubra und Sychrov 2.
Es gibt außerdem noch eine Reihe roter Nüsse, die nur als Buchstaben- Zahlen-Kombination gelistet sind.
Aufruf
Unsere Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, nicht in der Aufzählung der Sorten, noch weniger bei den Angaben zu deren Merkmalen. Es wird sicher viele Jahre des Beobachtens bedürfen, bis verlässliche Erfahrungswerte vorliegen und ausführliche pomologische Beschreibungen möglich sind. Deshalb bitten wir alle Leser dieses Artikels herzlich um Mithilfe beim Sammeln von Daten und Erfahrungen. Für jede Information – auch für Hinweise auf Fehler – sind wir dankbar.
Quellenangaben
- Rothmaler:
Exkursionsflora von Deutschland, 20. Auflage, 2011
- Die Walnuss (Juglans regia L.) – Baum des Jahres 2008,
Tagungsband
Ministerium für Umwelt, Forsten und Vebraucherschutz:
Mitteilungen aus der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz Nr. 66/08
- Internetseiten:
Walnuss-Baumschulen: Gubler, Klocks, Riednuss, Deaflora, Land- & Gartenwirtschaft Böllersen, Boomkwekerij – De Acht Plagen mit schönen Sortenfotos
Wikipedia (Echte Walnuss), walnussbauern.de, walnussbaum.info (viele weiterführenden Links)